Die Begriffe Toleranz, Freiheit und Demokratie waren bei der Gedenkfeier am Montag (27.01.) Schlüsselbegriffe. 75 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau haben rund 250 Gäste aus Politik, Kirche, Verwaltung und Stadtgesellschaft auf Einladung von Bürgermeister Werner Arndt an die Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Unter dem Titel „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ berichtete die Holocaust-Überlebende Halina Birenbaum im Rathaus über ihre „schreckliche Zeit“ und schrieb sich ins Goldene Buch ein.
„Mit der Gedenkstunde setzen wir gemeinsam ein Zeichen. Wir bekunden, dass wir die nationalsozialistischen Gräueltaten und ihre Opfer nicht vergessen haben, und wir bekunden auch, welche Werte heute für uns zählen.“, fasste Bürgermeister Werner Arndt die Bedeutung von Gedenktagen zusammen. Die Zeit des Nationalsozialismus sei keineswegs ein „Vogelschiss in der Geschichte“, vielmehr ermahne sie dazu, die Verantwortung für die Zukunft zu erkennen und zu übernehmen: „Wir wollen in einem demokratischen Europa leben, das auf freiheitlichem Denken und Handeln fußt.“
Ehrengast des Abends war die Zeitzeugin und Überlebende des Holocaust Halina Birenbaum. Seit mehr als 30 Jahren besucht sie Schulen in Marl und der Region, um über ihre Deportation nach Auschwitz zu erzählen. „Das gibt mir jeden Tag Mut und Kraft. Ich möchte meine Geschichte an die jungen Leute weitergeben und an die Geschehnisse erinnern“, sagte Halina Birenbaum bei der Gedenkfeier. Zeitzeugen von Auschwitz gibt es heute nur noch wenige. Die inzwischen 90-Jährige, die in Marls israelischer Partnerstadt Herzliya lebt, wurde damals als Warschauer Jüdin in mehrere Konzentrationslager deportiert und nach dem Todesmarsch im KZ Ravensbrück von der Roten Armee befreit. Sie verlor durch die Gräueltaten des NS-Regimes Eltern und Geschwister.
Im Rahmen der Gedenkfeier trug sich die Holocaust-Überlebende mit den Worten „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ ins Goldene Buch der Stadt Marl ein. Stille im Saal herrschte im Saal als sie anschließend Gedichte vortrug, in denen sie ihre Gedanken und Emotionen an diese Zeit schilderte. „Mein Leben begann am Ende, und kehrte zum Anfang zurück. Ich bin wieder auferstanden, nichts war umsonst. Denn die Hoffnung stirbt zuletzt. In mir ist die Kraft nicht aufzugeben. Ich bin ein Beweis“, heißt es in ihrem Gedichtband „Vom Ende an“.
Schüler*innen des Geschichts-LK der beiden Gymnasien stellten bei der Gedenkfeier dar, wie wichtig es ist, Zeitzeugen zu treffen und über den Holocaust zu sprechen. „Wir tragen die Verantwortung für den Gedankenwandel! Wir tragen die Verantwortung gegen das Vergessen dieser Zeit“, berichteten die Schüler einfühlsam. Eine Schülergruppe der MLK-Gesamtschule erinnert derzeit mit einer Ausstellung im insel/VHS-Forum an Kinder und Jugendliche, die Opfer des Nationalsozialismus wurden. Bei der Gedenkfeier berichteten sie über das „Butterfly Project“, bei dem junge Menschen an die Auseinandersetzung mit dem Holocaust herangeführt werden. Einige Gesamtschüler hatten die Gedenkstätte Ausschwitz (Polen) besucht. „Wenn man davon liest, ist es etwas ganz anderes, als wenn man es selbst mit eigenen Augen sieht“, erzählten die Jugendlichen.
„Nichts ist prägender als der Besuch vor Ort. Diese Zeit darf nicht in Vergessenheit geraten“, mahnte Bürgermeister Werner Arndt. Die Schüler leisteten einen „wichtigen Beitrag zur Erinnerungsarbeit“. Arndt appellierte: „Hass und Hetze, Rassismus und Antisemitismus haben keinen Platz in Marl, in Deutschland, in Europa und auf der Welt“. Pfarrer Ulrich Walter und Pfarrer Herbert Roth hatten die Gedenkfeier mit einem ökumenischen Gottesdienst begonnen. Den musikalischen Rahmen gestalteten Brigitte Braunstein und Günter Braunstein sowie Cristos Kazaglis von der Musikschule der Stadt Marl. Auch gab es weitere Wortbeiträge von Ulla Fries-Langer, Marler Wege zum Frieden e.V., und Cengiz Caliskan, Vorsitzender des Integrationsrates der Stadt Marl. Ein herzliches Dankeschön geht an das Organisationsteam des Gedenktages um Jennifer Radscheid (VHS Marl).
Foto: J. Metzendorf