Armut hat viele Gesichter“, erklärte Werner Arndt bei der Tagung „Blickpunkt: Soziale Lagen in Marl“. Rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren der Einladung des Bürgermeisters gefolgt und kamen ins Nachbarschaftszentrum Hüls-Süd, um gemeinsam erste Handlungsansätze zu entwickeln. Dabei waren Vertreter von Schulen, Kitas, Beratungsstellen, Kirchen, Verbänden und Vereinen sowie Politiker und Vertreter der Stadtverwaltung.
Nicht nur Menschen ohne Arbeit, auch viele Alleinerziehende, Rentner und Familien mit Kindern seien von Armut betroffen, führte Werner Arndt zu Beginn seines Grußwortes aus. 27,7 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren leben in Marler Haushalten, die Leistungen nach SGB II beziehen. Steigende Lebenshaltungskosten, wie zum Beispiel hohe Mieten, würden selbst vielen Erwerbstätigen zu schaffen machen. Abschließend stellte er dem Publikum die provokante Frage, ob der jüngst stark kritisierte Kevin Kühnert (Juso-Bundesvorsitzender) unrecht damit habe, wenn er feststelle, dass die deutsche Wirtschaftsordnung die Bedürfnisse von Millionen Menschen nach guten Lebensbedingungen gemessen am vorhandenen Kapital nicht vollumfänglich erfüllen kann?
„Arbeit schützt nicht mehr vor Armut“ – das stellte auch Christian Woltering, neuer Landesgeschäftsführer des Paritätischen in NRW, in seinem Impulsreferat heraus. Eine steigende Armutsquote und zunehmend prekäre Beschäftigungsbedingungen bedrohten deutschlandweit viele Haushalte, erläuterte Woltering. In NRW seien zwei Drittel der erwachsenen Armen erwerbstätig, in der Ausbildung oder in Rente. Ein Sachverhalt mit Fingerzeig.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen hatte Bürgermeister Werner Arndt im Gespräch mit den Sozialverbänden, Tafel und Kirchengemeinden die Tagung „Blickpunkt: Soziale Lage in Marl“ initiiert. Das Sozialdezernat und die insel-Volkshochschule hatten dafür zahlreiche Expert*innen und Vertreter*innen der Praxis an einen Tisch geholt.
In drei Workshops diskutierten die Teilnehmer, wo Handlungsbedarf besteht und mit welchen Maßnahmen insbesondere Senioren, Familien mit Kindern und Erwerbstätige unterstützt werden können. Dabei waren sich alle einig, dass eine frühe Prävention entscheidend ist. Die Vermittlung von Finanzkompetenzen und kostenfreie Bildungs- und Beratungsangebote zum Beispiel können Menschen ihrem Lebens- und Arbeitsalltag eine wichtige Hilfe sein und Armut vorbeugen. Besonders wichtig, so das Fazit der Konferenz, ist die enge Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen. Die Ergebnisse der Workshops werden in den nächsten Tagen ausgewertet und liefern wichtige Impulse für die zukünftige Arbeit.
„Wir sehen die Tagung als Auftakt, uns gemeinsam mit allen haupt- und ehrenamtlichen Akteuren auszutauschen und die bestehenden Netzwerke gegen Armut zu stärken“, hebt Sozialdezernentin Claudia Schwidrik-Grebe hervor. So soll es Anfang des nächsten Jahres eine Folgeveranstaltung in Kooperation mit den in Marl tätigen Wohlfahrtsverbänden geben. Ein Dank geht an allen verantwortlichen Helfer*innen der Tagung, besonders auch an die Elterninitiative Hüls-Süd (ELI) für das tolle Catering.